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Übersee-Museum kann menschliche Überreste an Hawai'i zurückgeben

Mit einer feierlichen Übergabezeremonie sind heute (Dienstag, 8. Februar 2022) acht iwi kūpuna (menschliche Überreste) aus dem Sammlungsbestand des Übersee-Museums Bremen an Vertreterinnen und Vertreter des Office of Hawaiian Affairs (OHA) der Vereinigten Staaten von Amerika , Bundesstaat Hawai’i, zurückgegeben worden.

Edward Halealoha Ayau, Kalehua Caceres und Mana Caceres haben als Repräsentantin und Repräsentanten des Office of Hawaiian Affairs an der Übergabezeremonie im Übersee-Museum Bremen teilgenommen. Die hawaiische Delegation wurde vom Generalkonsul der USA aus Hamburg, Darion Akins, begleitet. Die Freie Hansestadt Bremen war vertreten durch den Präsidenten des Senats, Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte, das Übersee-Museum Bremen durch Direktorin Prof. Dr. Wiebke Ahrndt sowie durch den Leiter der Abteilung Naturkunde, Dr. Michael Stiller.

[H1 Übersee-Museum Bremen returns ancestral remains to Hawaiʻi]

At a solemn handover ceremony today, eight iwi kūpuna (ancestral remains) from the collections held in the Übersee-Museum Bremen were returned to representatives of the Office of Hawaiian Affairs (OHA) from the United States (U.S.), State of Hawaiʻi.

Edward Halealoha Ayau, Kalehua Caceres and Mana Caceres took part in the ceremony at the Übersee-Museum Bremen as representatives of OHA. The Hawaiian delegation was accompanied by the U.S. Consul General from Hamburg, Darion Akins. The Free Hanseatic City of Bremen was represented by the President of the Senate, Mayor Dr. Andreas Bovenschulte; the Übersee-Museum Bremen by its Director, Prof. Dr. Wiebke Ahrndt, and the Head of Natural History Department, Dr. Michael Stiller.

Mana Caceres, Kalehua Caceres und Edward Halealoha Ayau (Repäsentantin und Repräsentanten (Hui Iwi Kuamoo) des indigenen hawaiischen Volkes) beim rituellen hawaiischen Gebet am Anfang der Zeremonie. Foto: Übersee-Museum Bremen, Volker Beinhorn
Mana Caceres, Kalehua Caceres und Edward Halealoha Ayau (Repäsentantin und Repräsentanten (Hui Iwi Kuamo’o) des indigenen hawaiischen Volkes) beim rituellen hawaiischen Gebet am Anfang der Zeremonie. Foto: Übersee-Museum Bremen, Volker Beinhorn

Das OHA hatte sich am 5. August 2019 mit einem Rückgabegesuch an das Übersee-Museum Bremen gewandt. Dieses hat daraufhin gemeinsam mit dem Senator für Kultur und dem OHA, gefördert durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, die Angelegenheit im Rahmen der zugänglichen Quellen und auf Grundlage ethischer Standards umfassend erforscht und aufbereitet. Nach sorgfältiger Prüfung empfahl das Übersee-Museum dem Senat der Freien Hansestadt Bremen die Rückgabe der menschlichen Überreste. Dieser stimmte dem Gesuch in seiner Sitzung am 1. Februar 2022 zu.

"In den vergangenen Jahren hat sich in Europa ein ausgeprägtes Bewusstsein dafür ausgebildet, dass es insbesondere aus ethischen Gründen dringend geboten ist, eingehend zu untersuchen, unter welchen Umständen die Sammlungen von Museen entstanden sind. Ganz besonders gilt dies für die Sammlungen menschlicher Überreste. Die Bewertung, ob ein wissenschaftliches Interesse es rechtfertigen kann, menschliche Gebeine aus einer anderen Kultur nach Deutschland zu bringen, um sie dort zu präsentieren und zu erforschen, stellt sich heute grundsätzlich anders dar als zu Zeiten des Kolonialismus. Auch Fragen nach der Legitimität dieses vermeintlichen Eigentums werden heute glücklicherweise anders beantwortet. Und deshalb haben wir die Verantwortung, die moralische Pflicht und die historische Chance, das begangene Unrecht zu beenden. Wiedergutmachen lässt es sich nicht.
Wir können Sie nur aufrichtig um Verzeihung bitten und Reue zeigen für das, was Ihrem Volk und Ihren Vorfahren angetan wurde", sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte an die Delegation aus Hawai’i gerichtet.

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OHA applied to the Übersee-Museum Bremen in August 2019 to have the remains returned. The museum then worked with the Senator for Culture and OHA to undertake a comprehensive investigation and documentation of the matter using the sources available and on the basis of ethical standards; this work was funded by the German Lost Art Foundation. After a thorough examination, the Übersee-Museum recommended to the Senate of the Free Hanseatic City of Bremen that the ancestral remains be returned. The Senate approved the application at its meeting on Feb. 1, 2022.

"In recent years, Europe has witnessed the development of a distinct awareness that for ethical reasons in particular, it is absolutely imperative to thoroughly investigate the circumstances under which the collections held in museums were created. This relates especially to collections of human remains. The assessment of whether a scientific interest can justify bringing human remains from another culture to Germany to then exhibit and investigate them is now fundamentally different to how it was in colonial times. Questions as to the legitimacy of this supposed ownership are also fortunately answered in a different way today. We therefore have the responsibility, the moral duty, and the historic opportunity to put an end to the wrong that has been done. We cannot make amends. We can only sincerely ask for your forgiveness and express our remorse for what was done to your people and your ancestors," said Bremen’s Mayor, Dr. Andreas Bovenschulte, addressing the delegation from Hawaiʻi.
 

Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte und Mana Caceres im Gespräch. Foto: Übersee-Museum Bremen, Volker Beinhorn
Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte und Mana Caceres im Gespräch. Foto: Übersee-Museum Bremen, Volker Beinhorn

Die Provenienz-Forschung hat in diesem Fall ergeben, dass die menschlichen Überreste aus unterschiedlichen Quellen dem Übersee-Museum zugeführt wurden. Demnach wurden dem Museum 1934 zwei der menschlichen Überreste von Kurt-Felix (auch Kurd-Felix) Franke bzw. 1865 von Hermann von Eelking überlassen. Für zwei weitere menschliche Überreste wird Prof. Hugo Schauinsland, Gründungsdirektor des Übersee Museums, als Einlieferer angegeben und das Einlieferungsdatum auf 1897 geschätzt.

Für die übrigen vier fehlen diese Angaben gänzlich. Anhaltspunkte für eine genauere geographische Zuordnung bietet bei mindestens fünf der menschlichen Überreste die Beschriftung. Dieser zufolge sollen vier der iwi kūpuna von Kaua’i und einer von Moloka’i stammen. Auf welchen Quellen diese Herkunftsangaben beruhen, ließ sich im Rahmen der Recherche allerdings nicht nachvollziehen. Bei zwei weiteren menschlichen Überresten kann aufgrund der Quellen eventuell eine Herkunft von der Insel Hawai‘i (Big Island) in Betracht gezogen werden.

"Im zurückliegenden Jahrzehnt hat sich unter Museumsfachleuten und Anthropologen viel verändert, was ein besseres Verständnis für die indigenen Völker und die an uns begangenen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit verdeutlicht. Wir erkennen dies natürlich an und begrüßen die Re-Humanisierung dieser Personen und Institutionen", sagte die OHA-Vorstandsvorsitzende Carmen ‚Hulu‘ Lindsey. "Heute ermöglichen uns diese Aktionen, nicht nur als Individuen, sondern als lāhui (hawaiische Nation) zu heilen."

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The research undertaken in this case showed that the human remains found their way into the Übersee-Museum via different routes. Two of these were left to the museum by Kurt-Felix (or Kurd-Felix) Franke in 1934 and Hermann von Eelking in 1865. Two more ancestral remains were handed over to the museum by Prof. Hugo Schauinsland, Founding Director of the Übersee-Museum, most likely in 1897.
No such information is available for the remaining four ancestral remains. The labeling provided initial indications of a more precise geographic attribution for at least five of them: four of the iwi kūpuna are believed to originate from Kauaʻi and one from Molokaʻi. It was not possible to retrace which sources had been used as the basis for this information. For two further ancestral remains, the sources possibly indicates that they originate from Hawaiʻi Island.

"There has been much change in the last decade amongst museum professionals and anthropological scholars that demonstrates a better understanding of Indigenous peoples and the past injustices committed against us. We certainly acknowledge this and applaud the re-humanization of these individuals and institutions,” said OHA Board Chair Carmen “Hulu” Lindsey. “Today, these actions allow us to heal, not only as individuals, but as a lāhui (Hawaiian nation)."
 

Mana Caceres und Kalehua Caceres beim pīkai (Reinigungsritual) zum Ende der Zeremonie. Foto: Übersee-Museum Bremen, Volker Beinhorn
Mana Caceres und Kalehua Caceres beim pīkai (Reinigungsritual) zum Ende der Zeremonie. Foto: Übersee-Museum Bremen, Volker Beinhorn

Die heutige Veranstaltung ist Teil einer großen Initiative des OHA und der hawaiischen cultural pracitioners zur Rückführung von iwi kūpuna aus internationalen Sammlungen. Auf dieser Reise wird die hawaiische Delegation 58 iwi kūpuna, die vor über einem Jahrhundert aus Hawaiʻi entwendet wurden, aus vier verschiedenen Institutionen in Deutschland und einer in Österreich zurückbringen. Die hawaiische Delegation wird von Edward Halealoha Ayau angeführt, der sich seit mehr als 30 Jahren als ehemaliger Vorstand von Hui Mālama I Nā Kūpuna O Hawai'i Nei (Gruppe, die sich um die hawai'ischen Ahnen kümmert) für die Rückführung von iwi kūpuna (hawaiische Gebeine), moepū (Grabbeigaben) und mea kapu (heilige Gegenstände) einsetzt. Er arbeitet weiterhin ehrenamtlich für das OHA an der internationalen Rückführung.

"Heute ist es aus ethischen Gründen nicht länger gerechtfertigt, die menschlichen Überreste weiterhin in unserer Sammlung zu verwahren. Generell sind derartige sensible Ankäufe mit unbekannter Provenienz für uns ausgeschlossen", betont Prof. Dr. Wiebke Ahrndt und versichert: "Für die Fehler unserer Vorgänger*innen stehen wir in der Verantwortung. Es ist unsere Aufgabe unseren Teil dazu beizutragen, vergangenes Unrecht zu korrigieren."

Unter der Leitung von Prof. Dr. Ahrndt wurden vom Deutschen Museumsbund Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen verfasst. Mit der Rückführung folgt der Senat den 2019 beschlossenen "Ersten Eckpunkte" zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Darin erklären die Kulturministerinnen und -minister der Länder, Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der kommunalen Spitzenverbände die generelle Bereitschaft zur Rückführung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, insbesondere von menschlichen Überresten, in die Herkunftsstaaten und Herkunftsgesellschaften.

Über das Übersee-Museum Bremen:
Das Übersee-Museum Bremen beherbergt ethnographische, handels- und naturkundliche Sammlungen aus vielen Teilen der Welt. Es ist seit 1999 eine Stiftung des öffentlichen Rechts. Die Sammlungen gehören der Freien Hansestadt Bremen. Das Museum und der Bremer Senat fühlen sich verpflichtet, die Herkunft der Sammlungen zu klären und sind grundsätzlich bereit, sie zurückzugeben. Erfahren Sie mehr unter www.uebersee-museum.de.

Über das Office of Hawaiian Affairs:
Das OHA wurde 1978 vom Verfassungskonvent des Bundesstaates eingerichtet und ist eine halbautonome staatliche Behörde, die den Auftrag hat, die Lebensbedingungen der Native Hawaiians zu verbessern. Unter der Leitung eines neunköpfigen öffentlich gewählten Board of Trustees erfüllt das OHA seinen Auftrag durch Interessenvertretung, Forschung, Engagement in der Gemeinde, Landverwaltung und die Finanzierung von Gemeindeprogrammen. Erfahren Sie mehr unter www.oha.org.

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Today’s event is part of a major initiative by OHA and Native Hawaiian cultural practitioners to repatriate iwi kūpuna from international collections. On this trip, the Hawaiian delegation will repatriate from four different institutions in Germany and one in Austria, 58 iwi kūpuna taken from Hawaiʻi over a century ago. Leading the Hawaiian delegation is Edward Halealoha Ayau who has led efforts to advocate for and repatriate iwi kūpuna (ancestral Hawaiian skeletal remains), moepū (funerary possessions) and mea kapu (sacred objects) for more than 30 years as the former Executive Director of Hui Mālama I Nā Kūpuna O Hawai‘i Nei (Group Caring for the Ancestors of Hawai‘i). He continues to work on international repatriation as a volunteer for OHA.

"For ethical reasons, there is no longer any justification for continuing to keep the human remains in our collection. As a general rule, we would never entertain such sensitive purchases of unknown provenance now,” said Prof. Dr. Wiebke Ahrndt. “We bear the responsibility for the mistakes of our predecessors. Our task is to play our part in righting the wrongs of the past."

Prof. Dr. Ahrndt chaired the working group of the German Museums Association which drew up recommendations on the care of human remains in museums and collections. In returning the remains, the Senate is acting in accordance with the “Framework Principles” on the care of collections from colonial contexts, which was adopted in 2019. It contains a declaration by a joint initiative between the federation, Länder and municipal umbrella organizations that they are generally prepared to return collections from colonial contexts, especially human remains, to the countries and communities of origin.

About the Übersee-Museum Bremen:
The Übersee-Museum Bremen contains ethnographic, trade and natural history collections from many parts of the world. It has been a foundation under public law since 1999. The collections belong to the Free Hanseatic City of Bremen. The museum and the Bremen Senate feel obliged to clarify the origin of the collections and are in principle prepared to return them. Learn more at www.uebersee-museum.de.

About the Office of Hawaiian Affairs:
Established by the state Constitutional Convention in 1978, OHA is a semi-autonomous state agency mandated to better the conditions of Native Hawaiians. Guided by a board of nine publicly elected trustees, OHA fulfills its mandate through advocacy, research, community engagement, land management and the funding of community programs. Learn more at www.oha.org.